Premiere: 10.10.2003
Stadttheater Freiburg
Movement is measure, stillness awareness of the void - of our existence in this passing world. Isamu Noguchi
Mit dem letzten Solo "f. A. M." definierte ich für mich eine neue Arbeitsphase, in welcher das Hauptaugenmerk auf die kontemplativen Erlebnismöglichkeiten von Bewegung / Tanz sowie auf das latente Potenzial von "möglichen Bewegungen" gerichtet wird. Intensive innere Energie und Konzentration, jedoch kein äusseres "zur Schau bringen" von definierten Formen und Zuständen.
Dieses Experiment wuchs aus meinem erneuten Interesse für die japanischen Steingärten. In meiner neusten Arbeit, einem Trio, setzte ich die begonnene Recherche weiter unter dem Aspekt: Tanz als flüchtige Schwester der Skulptur. Menschen, die mit ihrem Körper Formen und Räume, Energie, Ausdruck und "Spuren" erschaffen - in Raum und Zeit. Die tatsächliche und illusorische Aktivität einer Skulptur sowie die Schwerkraft als ein unbedingt notwendiges Element haben hier mit dem Tanz eine gemeinsame Ausgangsbasis.
Die Zerbrechlichkeit der Stille in einem Raum, die Feinheiten einer Bewegung, ein Blick, ein Atemzug. Diese Fragilität setzte ich in Kontrast zu grösstmöglicher physischer Intensität.
Der schwarze "Glas-Stein" Obsidian gibt diesem Stück seinen
Namen. Er bildet sich, wenn Lava sich derart schnell abkühlt, dass
Kristalle keine Zeit haben zu wachsen. Je höher die Geschwindigkeit
der Abkühlung, desto glasähnlicher wird er.
Ich stelle mir diesen plötzlichen Unterbruch von Bewegungsfluss vor,
dieses Erstarren, wo Bewegungen, Geräusche und Energien gefangengenommen
werden. Vielleicht existiert da noch ein zartes, nicht nach aussen tretendes
Echo im Innern. Ansonsten entsteht jedoch aus der Lava innerhalb kürzester
Zeit etwas Neues.
OBSIDIAN mag langsam, zähflüssig, ja schwer beginnen, seine
Herkunft geht jedoch auf die explosive, unvorhersehbare und kraftvolle
Tätigkeit der Vulkane zurück.
Gefangene Augenblicke, atemberaubend schöne Zeichen in Raum und Zeit,
gefährdet zu zerbrechen, bedrohlich weil schärfer als stählerne
Klingen. Niemals aggressiv und doch: in vergangenen Zeiten wurden Obsidiane
als Waffen benutzt.
Für dieses Stück arbeitete ich eng mit dem Musiker Ralf Freudenberger / Japanese Noise Research zusammen sowie mit Niki Good für das Bühnenbild und Lichtdesign. Das Element Metall (Eisen gibt dem Obsidian seine schwarze Farbe), erklingt in der Musik unerwartet , zuweilen auch verfremdet, im Bühnenbild ist es unausweichlich präsent.
Choreographie Hideto Heshiki Tanz Flavia Tabarrini, Shane Hedges, Michael Maurissens Musik Ralf Freudenberger Bühne/Licht Niki Good Kostüme Hideto Heshiki
Neue Zürcher Zeitung, 20.10.2003 (PDF):
Der Flug des Falters